Eine Reise gegen das Verdrängen

Chemiefans auf den Spuren des Partisanenwiderstands im österreichisch-slowenischen Grenzgebiet

Dass die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus keine Selbstverständlichkeit ist und immer wieder aufs Neue praktiziert und erarbeitet werden muss, ist seit vielen Jahren eine Maxime von Fußball-Fans und Fanprojekten. Erinnerungspolitische Gedenkstättenfahrten gehören schon immer ins Portfolio des Leipziger Fanprojektes – im Spätsommer dieses Jahres ging die Reise daher nach Österreich und Slowenien.

»Zwischen Widerstand und Kollaboration, zwischen Abrechnung und Verdrängung« hieß in diesem Jahr der Titel der 6-tägigen Tour durch die Berge der Karawanken und des Triglav. Gemeinsam mit den Kooperationspartnern vor Ort versuchten wir in einer Zeit, in der ZeitzeugInnenschaft immer schwieriger wird, Geschichte weiter erleb- und diskutierbar zu halten.

Start der Reise war im österreichische Süd-Kärnten, der einzigen Region im nationalsozialistischen „Deutschen Reich“, in der PartisanInnen bewaffneten Widerstand leisteten. Zu verdanken war dies in erster Linie der slowenischen Minderheit, die vom NS-Regime und der deutschen Mehrheitsbevölkerung in Kärnten rassistisch diskriminiert wurde. Obwohl die Kärntner Slowenen mit ungeheurem Mut zur Niederlage des Faschismus beitrugen, wurde ihr Widerstand nach 1945 in Österreich fast vollständig ignoriert oder sogar als Anlass für weitere Diskriminierung genommen.

In Klagenfurt begannen wir einen erinnerungspolitischen Stadtrundgang, bei dem uns sehr deutlich veranschaulicht wurde, wie sich die diametral gegenüberstehenden Geschichtserzählungen in Kärnten verhalten: das dominante „offizielle“ geschichtliche Narrativ auf der einen und die Sichtweise der Kärntner slowenischen Minderheit auf der anderen Seite der Zeitgeschichte.

Mit diesen Eindrücken wanderten wir am darauffolgenden Tag zum Erinnerungsort Peršmanhof, an dem 1944 ein Massaker der SS an der slowenischen Zivilbevölkerung stattgefunden hat. Heute ist der Peršmanhof nicht nur einer der wichtigsten Erinnerungs- und Gedenkorte der Kärntner Slowenen, sondern auch ein international beachteter musealer Lernort.

Der Weg führte uns weiter nach Idrija, einer kleinen Bergarbeiterstadt am Fluß Idrijca. Hier übergaben wir im städtischen Museum einen Spendenscheck der chemischen Fanszene für den Wiederaufbau des Gedenkortes Franja. Das ehemalige Partisanenlazarett wurde im Sommer durch Sturm und Überschwemmungen zu großen Teilen zerstört und soll wiederaufgebaut werden. Noch intakt war die berühmte Partisanen-Druckerei „Slovenija“ in den Bergen rund um Idrija. Wir bewunderten die, bis heute intakten Druckmaschinen und ließen uns erklären, mit welch logistischem Aufwand hier ab 1944 die größte illegale Partisanen-Zeitung gedruckt wurde.

Die Reise durch die Wälder des Widerstands endete in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana – hier konnten wir die Eindrücke ein wenig reflektieren, ehe es die 1000 km zurück nach Leipzig ging.

Das eine knappe Stunde entfernte KZ Loibl war einst eine Außenstelle des Konzentrationslagers Mauthausen: Unzählige ZwangsarbeiterInnen mussten hier unter unmenschlichen Bedingungen einen Tunnel durch den Berg treiben. Heute erinnern nur die Grundmauern der Baracken an das Lager. In Begunje, kurz nach der österreichisch-slowenischen Grenze besuchten wir das ehemalige Gestapo-Gefängnis im heutigen Geiselmuseum: Ein Ort des Schreckens und Grauens, der synonym für die Verbrechen der nationalsozialistischen Okkupationsmacht in Slowenien in den Jahren 1941 bis 1945 steht. Aus diesem Gefängnis wurden zahlreiche willkürlich Inhaftierte zu Geiselerschießungen gebracht und andere wiederum in NS-Todeslager deportiert.

Die Reise ging im Anschluss weiter in die Berge rund um Kranj – hier besichtigten wir das Denkmal in Drazgose. Im kleinen Dörfchen Drazgose fand im Januar 1942 eine der größten Schlachten während des 2. Weltkrieges zwischen den Partisaneneinheiten des Cankar-Bataillons und militärischen Kräften der deutschen Besatzungsmacht statt. Bis heute geht man davon aus, dass diese Schlacht der erste ernsthafte Kampf gegen Nazi-Deutschland war und den Mythos der Unschlagbarkeit der Wehrmacht zerstörte.

Die Bildungsfahrt wurde vom Fanprojekt geplant und organisiert. Wir danken unseren Förderern: der DFB Kulturstiftung und dem Programm Weltoffenes Sachsen. Diese Maßnahme wurde mitfinanziert mit Steuermitteln des vom SLT beschlossenen Haushaltes.