Seit November 2017 ist Christian Kohn der neue Projektleiter des Leipziger Fanprojekts der Outlaw gGmbH. Der Kulturwissenschaftler, der seine Doktorarbeit abgegeben und 2017 verteidigt hat, bringt dafür Erfahrungen aus der politischen Bildungsarbeit, Journalismus im Bereich Fußball und Gesellschaft sowie Netzwerkarbeit mit: Zuvor war der 36-Jährige Projektkoordinator bei der Initiative für mehr gesellschaftliche Verantwortung im Breitensport-Fußball (IVF) und arbeitete zuletzt im Projekt „Im Sport verein(t) für Demokratie“ des Landessportbundes Sachsen mit.
Der gebürtige Stuttgarter und vierfache Familienvater übernimmt die Leitung von Sarah Köhler, die wieder mehr direkte Fanarbeit leisten möchte. Die Sozialpädagogin leitete das Fanprojekt erfolgreich seit Übernahme der Outlaw-Trägerschaft im Jahr 2011.
Im Interview spricht Christian Kohn über die Aufgaben und Herausforderungen der Fanprojektarbeit und natürlich auch über seine persönliche Beziehung zum Fußball.
Herr Kohn, herzlich willkommen beim Leipziger Fanprojekt – einem Standort mit traditionell unterschiedlichen Fanszenen! Welche Herausforderungen sehen Sie?
Vielen Dank, ich freue mich sehr, an Bord sein zu dürfen! Meine persönliche Herausforderung wird sein, mir einen Überblick über die konkrete Arbeit mit den unterschiedlichen Fangruppen zu verschaffen. Ich habe mich zwar in den letzten Jahren viel mit Fankultur auseinandergesetzt, bin aber von Haus aus Kulturwissenschaftler. Deswegen freue ich mich sehr, von meinen Kolleg*innen auch im praktischen Bereich dazu lernen zu dürfen.
Und dann gibt es aktuell ganz konkrete Herausforderungen am Standort: RB Leipzig spielt diese Saison zum ersten Mal international. Neue Spielorte stehen an, andere organisatorische Abläufe sind notwendig. Beim 1. FC Lokomotive Leipzig werden momentan Perspektivdiskussionen geführt, da gilt es den Dialog zwischen Fans und Verein zu unterstützen. Die BSG Chemie spielt in der Regionalliga gegen den Abstieg an, da wird jedes Spiel zum „Highlight“ für alle Beteiligten. Es gibt also viel zu tun!
Wie bewerten Sie die Arbeit des Fanprojekts der letzten Jahre und welche Aufgaben wollen Sie angehen?
Vor der erfolgreichen Arbeit des Fanprojekts in den letzten sechs Jahren kann ich nur meinen Hut ziehen. Diesen Weg möchte ich weitergehen und ausgehend von der guten Basis die konzeptionelle Arbeit ausbauen und bestehende Kooperationen vertiefen. Konkret wollen wir 2018 das Projekt „Lernort Stadion“ in den Mittelpunkt rücken. Das Ziel ist, bei jungen Fußballfans soziale Kompetenzen zu stärken und ihr Interesse für außerschulische (politische) Bildung zu wecken. Das Konzept stammt aus England und wird bereits an deutschen Profi-Standorten umgesetzt.
Wie wird sich das Fanprojekt in den nächsten Jahren aufstellen und welche Aufgaben sehen Sie?
Das hängt natürlich auch sehr davon ab, wie sich die gesellschaftliche Situation entwickelt. Aktuell wird der Ruf nach autoritären Problemlösungen und Ausgrenzung wieder lauter. Das ist im Fußball nicht anders – vor allem im Osten. In Anbetracht dessen wird eine der Hauptaufgaben sicherlich sein, die vermittelnde Rolle weiter auszubauen und unseren präventiven Ansatz weiter zu stärken.
Und ganz persönlich: Was bedeutet Ihnen der Fußball?
Ich war fast dreißig Jahre lang selbst aktiv am Ball und liebe den Fußball einerseits für das offene und solidarische Potenzial. Andererseits sind der Fußballsport und seine kulturellen Formen selbst Ergebnisse unserer Gesellschaft, weshalb er eben auch negative Erscheinungen mit sich bringt. In jedem Falle ist der Fußball nicht nur für mich, sondern für unglaublich viele Menschen sehr wichtig geworden – was eben auch bedeutet, dass wir die vielfältigen Beweggründe der Menschen ernst nehmen müssen. Und genau da setzt die Fanprojektarbeit an.