Stellungnahme des Netzwerks der Träger der sozialpädagogischen Fanprojekte

Das Netzwerk der Träger der Fanprojekte hat eine Pressemitteilung herausgegeben, welche den Sicherheitsgipfel vom 18.10.2024 thematisiert. Wir teilen diese im Wortlaut:

 

Sehr geehrte Damen und Herren Innenminister*innen,

mit Interesse und Spannung haben wir, die Trägervertreter*innen der Fanprojekte, die Pressekonferenz nach dem Sicherheitsgipfel- Gewalt und Pyrotechnik im Fußball- am 18.10.2024 verfolgt. Wir hatten erwartet und gehofft, dass die Stärkung der professionellen Präventionsarbeit als zentralem Schlüssel für eine nachhaltig wirksame Gewaltreduzierung einen prominenten Platz in den Überlegungen auf dem Gipfel eingenommen hätte. Wie wir wissen, haben die Fußballverbände, aber auch die Jugendhilfe konkrete Vorschläge zur Stärkung der Gewaltpräventionsarbeit unterbreitet, wie z.B. die verbesserte Förderung der Fanprojekte sowie die bundesweite Ausweitung der Stadionallianzen als zentrale Präventionsinstrumente. Deshalb hätten wir Vorschläge erwartet, wie diese erfolgreichen Säulen gelingender Prävention noch besser strukturell unterstützt und finanziell bedarfsgerecht ausgestattet werden können.

Stattdessen haben wir mit Unverständnis, Verärgerung und Sorge das Gegenteil zur Kenntnis nehmen müssen. Neben wortreich und wenig konkret angekündigten Kontroll- und Restriktionsmaßnahmen hielten Sie für den zentralen Bereich der Präventionsarbeit ein lediglich allgemeines und wenig kenntnisreiches Lippenbekenntnis für ausreichend.

Noch beunruhigender ist der Umstand, dass die Innenminister*innen unwidersprochen die Wirksamkeit der Tätigkeit der Fanprojekte grundsätzlich und pauschal in Frage stellen konnten. Sie taten dies, obwohl einschlägige Erfahrungen seit Jahren das genaue Gegenteil belegen! Welche Zielrichtung wird mit derlei unreflektierten Aussagen beabsichtigt?

Gerade in der aktuellen, herausfordernden Situation, in der die Fanprojekte aufgrund der Krisen in den öffentlichen Hauhalten ohnehin strukturell und finanziell unter Druck stehen, schafft eine solche Äußerung massive Verunsicherung bei den tagtäglich mit hohem Einsatz professionell tätigen Mitarbeiter*innen der Fanprojekte, aber auch bei uns als Trägern sowie bei den zahlreichen, mit den Fanprojekten zusammenarbeitenden Akteur*innen.
Wir als Träger der sozialpädagogischen Fanprojekte stellen uns und Ihnen die Frage, aus welchen Motiven, welchem Grund und mit welchem Ziel die Wirksamkeit der Fanprojektarbeit in Zweifel gezogen wird. Und zu welchem Zweck eine Wirksamkeitsanalyse gefordert wird?

Ist Ihnen nicht bekannt, dass es seit Jahren ein erprobtes und stetig weiter entwickeltes externes und zentrales Evaluierungsverfahren gibt, welchem sich alle Fanprojekte regelmäßig zu unterziehen haben. Die durch den Beirat der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS- Beirat) beauftragte AG Qualitätssicherung hat für die Überprüfung und Bewertung der Arbeit der Fanprojekte ein wissenschaftlich begründetes Konzept und Verfahren entwickelt und setzt dieses konsequent um.

Ist Ihnen nicht bekannt, dass die Polizeibehörden an den Fanprojektstandorten die Tätigkeit der Fanprojekte im Rahmen der Fremdeinschätzungen als Teil des Evaluierungsverfahrens grundsätzlich als konstruktiv und positiv bewerten?

Ist Ihnen auch nicht bekannt, dass durch die Koordinationsstelle (KOS) in Frankfurt eine kontinuierliche und professionelle Fachberatung, Fortbildung sowie Hilfestellung bei der Bewältigung neuer fachlicher Herausforderungen für alle Projekt- Standorte sichergestellt wird?

Und schließlich, ist ihnen nicht bewusst, dass auch wir als Anstellungs- und Projektträger unsere Verantwortung für eine hohe Professionalität und Qualität der Fanprojektarbeit sowie für eine gelingende Vernetzung mit allen relevanten Akteuren vor Ort überaus ernst nehmen.

Die Trägerorganisationen verweisen auf die Stellungnahme der BAG Fanprojekte und unterstützen diese vollumfänglich.

Wir erwarten, dass Sie mit den Vertretungsorganen der Fanprojekte und der Trägerorganisationen in einen offenen Dialog eintreten, um sich zunächst substantiell über Inhalte und Aufgaben, Qualitätsstandards und Qualitätssicherungsverfahren zu informieren und darauf aufbauend gemeinsame Ziele dialogisch zu erarbeiten. Dies setzt jedoch einen Dialog auf Augenhöhe voraus. Das bestehende Netzwerk der Fanprojekte strukturell und finanziell zu stärken, wäre ein gemeinsamer, wichtiger Beitrag für eine wirkungsvolle Prävention.

Die Gewährleistung der Stadionsicherheit wird ohne qualifizierte Prävention durch starke Fanprojekte und ohne Zusammenarbeit aller Akteure aus ihren jeweiligen Rollen heraus sowie im Sinne einer Verantwortungsgemeinschaft nicht gelingen. In diesem Sinne sehen wir in Ihnen wichtige und notwendige Gesprächspartner*innen, auch zu anderen, aus unserer Sicht relevanten Themen, wie z.B. Fachkräftesituation oder Zeugnisverweigerungsrecht.

Gern stehen wir für Gespräche und fachlichen Austausch zur Verfügung und freuen uns auf Ihre Einladung.

Mit freundlichen Grüßen,

für das Netzwerk der Träger der Fanprojekte

Rolf Hanselmann & Steffen Kröner

25.10.2024

Pressemitteilung: Mitarbeitende des Fanprojektes Karlsruhe wegen Strafvereitelung zu Geldstrafen verurteilt – BAG: „Wir sind entsetzt und schockiert ob dieses Urteils!“

Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) der Fanprojekte hat heute eine Pressemitteilung herausgegeben, welche das Urteil gegen Mitarbeitende des Fanprojekts Karlsruhe thematisiert. Wir teilen diese im Wortlaut, hier ist sie im Original auf der Seite der BAG abrufbar.

 

Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) der Fanprojekte zeigt sich enttäuscht über die Verurteilung der Mitarbeitenden des Fanprojektes Karlsruhe in ihrem Verfahren wegen Strafvereitelung.
„Dieses Urteil ist ein Schlag ins Gesicht unserer Kolleg*innen in Karlsruhe, für die Fußball-Fanprojekte und die gesamte Soziale Arbeit bundesweit“, bewertet BAG Sprecherin Antje Hagel das Urteil.
Nachdem Mitarbeitende des Fanprojektes Karlsruhe zuletzt Strafbefehle über 120 Tagessätze á 60€ wegen Strafvereitelung bekamen, fand gestern die Verhandlung dazu statt.
Die Mitarbeitenden mussten sich bereits im Vorfeld mit einer angedrohten Beugehaft auseinandersetzen, da sie sich weigerten, eine Aussage bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe zu leisten. Sie sollten sich zu Vorfällen anlässlich einer Pyro-Aktion im Karlsruher Stadion äußern. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass die Mitarbeitenden aus Gesprächen zwischen den Konfliktparteien Hintergründe erfahren hätten. Ziel dieser vertraulichen Gespräche war es, intensive Reflektionsprozesse zu begleiten, um so eine Aufarbeitung des Geschehens zu ermöglichen. Dennoch warf die Staatsanwaltschaft den Kolleg*innen Strafvereitelung vor.
Das gestrige Urteil reduziert zwar die Höhe der Tagessätze, bestätigt aber den Tatvorwurf und stellt eine Zäsur für die Arbeit der sozialpädagogischen Fanprojekte sowie der gesamten Sozialen Arbeit dar. Wenn aus Sozialer Arbeit Straftaten konstruiert und diese verurteilt werden, dann wird der Sozialen Arbeit nachhaltig Schaden zugefügt!
Den Ausgang dieses Verfahrens sieht die BAG der Fanprojekte als Verpflichtung: „Der Fall Karlsruhe verdeutlicht die Notwendigkeit eines Zeugnisverweigerungsrechts für die Profession Soziale Arbeit. Den Reformbedarf des §53 StPO werden wir weiterhin einfordern“, kündigt BAG-Sprecher Benjamin Belhadj an.
Die Soziale Arbeit hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten, nicht nur im Bereich der Fußball-Fanprojekte, stark weiterentwickelt. Vertraulichkeit, Parteilichkeit und Freiwilligkeit sind Grundpfeiler der Arbeit, die es zu schützen gilt, um weiterhin pädagogisch und präventiv dem gesetzlichen Auftrag nachkommen zu können. Nur mit der Möglichkeit, vertrauliche Gespräche mit Klient*innen zu schützen, ist eine nachhaltige Arbeit gegen Gewalt, Drogenmissbrauch und Diskriminierung denkbar.
Die BAG der Fanprojekte fordert daher nachdrücklich die Bundesregierung auf, sich diesem Thema noch in dieser Legislaturperiode anzunehmen und das Zeugnisverweigerungsrecht für die Soziale Arbeit gesetzlich zu verankern. Den nun verurteilten Kolleginnen und Kollegen in Karlsruhe wird versichert: „Die BAG der Fanprojekte steht geschlossen hinter euch, ein solcher Fall darf sich nicht wiederholen“, so Antje Hagel.

Stellungnahme der KOS nach missverständlichen Äußerungen nach Spitzengespräch

Die Anmerkungen zur Wirksamkeit der Arbeit der Fanprojekte bei der Pressekonferenz am 18.10.2024 nach dem Spitzengespräch zwischen IMK/SMK, DFB und DFL haben bundesweit bei den Trägern und Mitarbeitenden der Fanprojekte Irritation und Verunsicherung ausgelöst.

Die Koordinationsstelle Fanprojekte bei der dsj, die auf Basis des Nationalen Konzepts Sport und Sicherheit (NKSS) die 70 deutschen Fanprojekte berät und die Arbeit im institutionellen Netzwerk vertritt, nimmt hierzu Stellung.

Die zentralen Punkte:

  • Die Wirksamkeit der Arbeit der Fanprojekte ist wissenschaftlich unumstritten und seit 40 Jahren in der Praxis erprobt.
  • Fanprojektarbeit ist an allen Orten in ein breites Netzwerk aller relevanten Akteur*innen eingebettet und wird von diesem vertrauensvoll und kritisch begleitet.
  • Alle Fanprojekte werden seit 2010 im 3-Jahres-Zyklus einem externen Qualitätssicherungsprozess unterzogen und zertifiziert.
  • Fanprojekte arbeiten am Puls der Zeit und passen ihre Konzepte laufend den aktuellen Entwicklungen in Fanszene und Gesellschaft an.
    Aktuell kommt ein vom Nationalen Ausschuss Sport und Sicherheit (NASS) angeschobener Prozess zum Abschluss, der die konzeptionelle Arbeitsgrundlage der Fanprojekte aktualisiert.
  • Fanprojektarbeit braucht das Vertrauen aller Netzwerkpartner*innen. Angesichts aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen (Entsolidarisierung, Rechtsruck unter Jugendlichen, Wiedererstarken von Gewaltphänomenen, Europaskepsis) ist dies unerlässlich.
  • DFB und DFL haben im Nachgang der Pressekonferenz ihr uneingeschränktes Vertrauen in die Arbeit und Wirksamkeit der Fanprojekte ausgesprochen.
  • Fanprojektarbeit braucht eine stabile Finanzierung, die den gestiegenen Kosten und Ansprüchen angepasst ist. DFL und DFB haben den Innenpolitiker*innen eine Aufstockung der Finanzierung angeboten.

Wirkungsvoll seit 40 Jahren

Die Wirksamkeit von professioneller, sozialpädagogischer Fansozialarbeit ist wissenschaftlich untermauert und in 40 Jahren Praxis bewährt. Durch die wirkungsvolle Arbeit der Fanprojekte konnten Phänomene wie Hooliganismus, Rechtsextremismus und Rassismus erheblich eingedämmt und weitere wichtige Themen der Gewaltprävention, sozialen Integration, Geschlechtergerechtigkeit und Inklusion adressiert und gemeinsam mit jugendlichen Fußballfans bearbeitet werden. Dies erfolgt durch kontinuierliche und professionelle Soziale Arbeit, die in der Bundesgesetzgebung (SGB VIII) und dem Nationalen Konzept Sport und Sicherheit (NKSS) verankert ist.

Ein unverzichtbarer Bestandteil dieser Arbeit ist das vertrauensvolle Verhältnis zur Zielgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den Fanszenen sowie die enge Zusammenarbeit im Netzwerk, bei der die unterschiedlichen Rollen und Aufgaben klar anerkannt werden.

Im Zentrum des Netzwerks

Zu diesem über Jahrzehnte etablierten und starken Netzwerk gehören die mitfinanzierenden Kommunen und Bundesländer, die Vereine und deren Dachverbände DFB und DFL, bundesweite Fanvereinigungen und lokale Fanszenen, Polizeien von Bund und Ländern, die Träger der Fanprojekte, Bundesministerien wie das BMFSFJ und das BMI, die Fachverbände der Sozialen (Jugend)-Arbeit, die Deutsche Sportjugend unter dem Dach des DOSB sowie die unabhängige Wissenschaft.

Dieses Zusammenspiel aller Kräfte hat ermöglicht, dass Fußballspiele in Deutschland nicht nur sicher sind, sondern auf dieser Basis ein soziales und gesellschaftliches Massenereignis geworden sind. In der Saison 2022/2023 gab es bei 24 Millionen Zuschauer*innen der 1., 2. und 3. Bundesliga 1.176 Verletzte (0,0052 Prozent, Quelle: Polizei ZIS). Eine aktuelle Fan-Studie zeigt zudem, dass 96 Prozent der Stadionbesucher*innen sich während des Spieltags sicher fühlen (Quelle: DFL, 18.10.2024).

Am Puls der Zeit

Das NKSS ist die Grundlage des gemeinsamen zielgerichteten Handelns. Im jährlich tagenden Nationalen Ausschuss Sport und Sicherheit (NASS) kommen alle Netzwerkpartner*innen zusammen. Der NASS hat den KOS-Beirat damit beauftragt, eine Aktualisierung des NKSS einzuleiten, um auf aktuelle Entwicklungen im Arbeitsfeld der Fanarbeit konzeptionell angemessen zu reagieren und weiterhin zeitgemäß agieren zu können. Basierend auf wissenschaftlichen Expertisen wurden Vorschläge für eine konkrete Aktualisierung des Rahmenkonzepts für die Arbeit der Fanprojekte entwickelt, im KOS-Beirat diskutiert, dort einstimmig beschlossen und kürzlich an den NASS übermittelt.

Qualitätsmanagement und Transparenz

Die Fanprojekte durchlaufen seit 2010 einen von einem unabhängigen wissenschaftlichen Institut durchgeführten Qualitätsmanagementprozess, das „Qualitätssiegel Fanprojekt nach dem NKSS“. Alle drei Jahre stellt sich jedes Fanprojekt dieser Überprüfung, die sowohl die inhaltliche Arbeit als auch strukturelle Rahmenbedingungen und die Qualität der Netzwerkarbeit umfasst. Alle Netzwerkpartner*innen – Fanszene, Verein, Kommune, Polizei – sind in diesen Prozess eingebunden. In der wissenschaftlich geleiteten Arbeitsgruppe Qualitätssicherung beraten der DFB, die DFL, das BMFSFJ, die AG der Obersten Landes- und Jugendbehörden der Bundesländer, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte, die Trägervertretung der Fanprojekte und die KOS basierend auf den Ergebnissen der unabhängigen Datenerhebung über die Arbeit der Fanprojekte. Der KOS-Beirat vergibt anschließend auf Empfehlung der AG Qualitätssicherung das Qualitätssiegel auf drei Jahre.

Kaum ein Bereich der Sozialen Arbeit unterzieht sich einem so umfassenden und systematischen Prüfprozess wie die Fanprojekte, was deren Qualität und Professionalität unterstreicht.

Fanprojekte brauchen Vertrauen

Uns, als Koordinationsstelle Fanprojekte, haben die kritischen Aussagen zur Wirksamkeit der Fanprojekte im Rahmen der Pressekonferenz nach dem Sicherheitsgipfel überrascht. Insbesondere, da gleichzeitig die Stadionallianzen, in denen die Fanprojekte unverzichtbare Partner sind, positiv hervorgehoben wurden. Das eine geht aber nicht ohne das andere! Die Fanprojektarbeit ist transparent, wirksam und wird kontinuierlich evaluiert. Alle der KOS vorliegenden Unterlagen belegen, dass dies in hohem Maße gewährleistet ist.

Fanprojekte sind auf das Vertrauen in ihre Arbeit und die Akzeptanz und Unterstützung des Netzwerks angewiesen. Das zeigt aktuell der Prozess in Karlsruhe, wo drei hochgeschätzte Kolleg*innen vor Gericht stehen, weil sie die Arbeitsgrundlage aller Fanprojekte sowie die integralen Aspekte der Sozialen Arbeit schützen.

Wir bedanken uns an dieser Stelle ausdrücklich bei den Kommunen, Verbänden und Bundesländern für das entgegengebrachte Vertrauen, in allererster Linie aber bei den Fans. Dieses Vertrauen ist unabdingbar, damit unsere engagierten Kolleg*innen ihre Arbeit weiter mit dem gleichen Erfolg ausführen können.

Fanprojekte brauchen eine stabile Finanzierung

Durch die in den letzten Jahren gestiegenen Kosten und neuen Herausforderungen im Arbeitsfeld stoßen aktuell eine Vielzahl (ca. 50 %) der Fanprojekte personell und finanziell an ihre Belastungsgrenzen. Die Geldgeber*innen und Netzwerkpartner*innen sind sich dessen bewusst und suchen gemeinsam nach Lösungen. Die KOS ist dankbar, dass DFB und DFL im Nachgang des Spitzengesprächs deutlich gemacht haben, dass die Förderung der Fanprojekte für sie weiterhin einen zentralen Baustein in der Präventionsarbeit darstellt, um für ein sicheres sowie fanfreundliches Stadionerlebnis zu sorgen.

DFB und DFL haben den Innenpolitiker*innen eine Erhöhung der finanziellen Fanprojektförderung angeboten. Wir hoffen, dass Kommunen und Bundesländer auf dieses Angebot eingehen. Sie stehen, da die Arbeit der Fanprojekte in der öffentlich-rechtlichen Jugendhilfe verankert ist, in der Hauptverantwortung. Es ist für die Öffentliche Hand ein attraktives Finanzierungsmodell, da jeder investierte öffentlich-rechtliche Euro durch DFB und DFL verdoppelt wird.
Momentan sehen die Förderrichtlinien von DFB und DFL eine Begrenzung ihrer Förderung von Fanprojekten vor. Wir halten es für notwendig und würden es sehr begrüßen, wenn diese Höchstgrenze aufgehoben wird und die Standorte, an denen Kommunen und Bundesländer bereits höher fördern, vom Fußball die entsprechende Unterstützung erfahren.

Die auf dem Nationalen Konzept Sport und Sicherheit beruhende Arbeit der Fanprojekte hat sich zu einem europaweiten Vorzeigemodell entwickelt. Sie trägt nicht nur zu sicheren Fußballspielen bei, sondern unterstützt Jugendliche und junge Erwachsene in ihrem Engagement für eine offene und vielfältige Fankultur und für eine offene, demokratische und vielfältige Gesellschaft.

Alle Beteiligten stehen in einer Verantwortungsgemeinschaft gegenüber dem deutschen Vorzeigemodell der professionellen Fansozialarbeit und seinen jugendlichen Klient*innen, die derzeit die größte Jugendkultur in Deutschland bilden. Der Zustrom junger Fans in die Fankurven bleibt ungebrochen hoch, mit weiter steigender Tendenz. In diesem Sinne ist die weitere Stärkung der Fanprojektarbeit nicht nur zeitgemäß, sondern angesichts der gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen unabdingbar.

Wir stehen für einen offenen Dialog bereit, um mögliche Fragen oder Bedenken im Sinne einer gemeinsamen und effektiven Stärkung und Zukunftsgestaltung der Fanprojektarbeit zu besprechen.

Koordinationsstelle Fanprojekte, Frankfurt am Main, 25.10.2024

 

Die Stellungnahme ist hier auf der Homepage der KOS zu finden.

Pressemitteilung: BAG der Fanprojekte empört über die Forderung nach einer Wirksamkeitsanalyse nach dem Spitzengespräch der Innenminister*innen mit den Fußballverbänden

Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) der Fanprojekte hat heute eine Pressemitteilung herausgegeben, welche den Sicherheitsgipfel zwischen Fußball und Politik thematisiert, der vergangenen Freitag in München stattgefunden hat. Wir teilen diese im Wortlaut, hier ist sie im Original auf der Seite der BAG abrufbar.

 

Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) der Fanprojekte zeigt sich empört über die Forderung nach einer weiteren Wirksamkeitsanalyse von sozialpädagogischen Fanprojekten, die im Rahmen der kürzlich stattgefundenen Pressekonferenz des Spitzengesprächs aufgestellt wurde. Die BAG versteht diese Forderung als Misstrauenserklärung, die den langjährigen Beitrag der Fanprojekte zur Gewaltprävention und zur Förderung einer positiven Fankultur nicht angemessen würdigt.

„Die Forderung nach einer Wirksamkeitsanalyse ignoriert vollkommen die zahlreichen Erfolge, die die mittlerweile 70 sozialpädagogischen Fanprojekte in Deutschland in den letzten Jahren erzielt haben“, erklärt Stefan Roggenthin, einer der vier Sprecher*innen der BAG. „Fanprojekte leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Gewaltprävention, Deeskalation von Konflikten und zur Förderung eines respektvollen Miteinanders im Stadion.“

Die BAG weist darauf hin, dass Fanprojekte seit ihrer Gründung vor über 40 Jahren erfolgreich daran arbeiten, gewaltbereite Auseinandersetzungen zu verhindern und ein positives Umfeld für alle Stadionbesucher*innen zu schaffen. Durch präventive Maßnahmen, Bildungsangebote und Zusammenarbeit mit Vereinen und Sicherheitsbehörden tragen sie maßgeblich dazu bei, dass Fußballspiele zu einem Ort des gemeinsamen Erlebens werden.

„Es ist enttäuschend, dass bei der Pressekonferenz nicht auf die positiven Effekte unserer Arbeit eingegangen wurde“, so Mattis Nüsse, ein weiterer BAG-Sprecher. „Stattdessen wird ein Bild gezeichnet, das den komplexen Herausforderungen im Fußballumfeld nicht gerecht wird. Wir fordern eine differenzierte Betrachtung und eine Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Gegebenheiten.“

Die BAG der Fanprojekte appelliert an alle Beteiligten, die wertvolle Arbeit der Fanprojekte ernst zu nehmen, in zukünftigen Diskussionen angemessen zu berücksichtigen und nicht für Verunsicherung durch Forderungen nach Wirksamkeitsanalysen zu sorgen. Nur durch einen konstruktiven Dialog, wie er standortbezogen in z.B. den Stadionallianzen stattfindet, können nachhaltige Lösungen gefunden werden zu Themen wie zum Beispiel Regelverletzungen, Gewalt, Stadionverboten, Diskriminierungen oder auch sexualisierter Gewalt.

Kontakt für Rückfragen: info@bag-fanprojekte.de

Gedenkstättenfahrt nach Ravensbrück

Im Frühsommer kamen junge Fans mit der Bitte auf uns zu, einen Besuch in der Gedenkstätte Ravensbrück zu organisieren. Nachdem der Spielplan endlich draußen war und die Ansetzungen für den Herbst kamen, haben wir einen Tag gefunden, an dem wir gemeinsam nach Fürstenberg/Havel fahren.

Die Gedenkstätte Ravensbrück erinnert auf dem Gelände des ehemaligen Frauen-KZ an die unzähligen Menschen, die vor Ort interniert waren, mit medizinischen Experimenten gequält wurden und Zwangsarbeit verrichten mussten – nicht wenige von ihnen kamen dabei zu Tode. Die Opfergruppen waren vielfältig, es gab sehr viele politische Inhaftierte, aber auch Sintize und Romnja, Zeuginnen Jehovas und sogenannte „Asoziale“. In Ravensbrück wurden außerdem Frauen ausgewählt, die in anderen KZs in die Zwangsprostitution geschickt wurden. Später gab es auch ein Männerlager, jedoch stellten Frauen zahlenmäßig die größte Gruppe der Inhaftierten dar.

Zur Vorbereitung trafen wir uns am Abend vor der Fahrt und schauten gemeinsam die Dokumentation „Die Frauen von Ravensbrück“, in welcher die Regisseurin Überlebende zu ihrer Zeit im KZ Ravensbrück, aber auch ihrem Leben davor und danach befragt hat.

Am 14. September starteten wir in aller Früh und fuhren zum Glück ohne größeren Stau nach Fürstenberg/Havel. Der Projekttag begann mit einem kurzen Einstieg und einer Einleitung ins Thema. Direkt danach konnten alle Teilnehmenden in Kleingruppen eigenständig losziehen und das Gelände erkunden. Wir bekamen dafür iPads, mit denen wir Fotos von interessanten oder irritierenden Orten machen konnten. Das Gelände ist so riesig, dass wir selbst mit ca. 1 Stunde Zeit für diese Aufgabe nicht alles sehen konnten. Nach einer kurzen Pause schauten wir gemeinsam die Fotos an und bekamen von unserem Guide Hintergrundinformationen zu den Orten, konnten weitere Fragen stellen und eigenes Wissen einbringen. Im Anschluss daran machten wir eine vertiefte Führung über das Gelände, bei der wir einige der bereits fotografierten Orte noch einmal besuchten, und weitere Informationen über das ehemalige KZ erhielten. Auch kamen wir untereinander gut in den Austausch und stellten immer wieder aktuelle Bezüge her – gerade im Hinblick auf die gerade einmal zwei Wochen alten Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen sowie die anstehenden Wahlen in Brandenburg. Zum Abschluss setzten wir uns noch einmal zusammen, werteten kurz den Tag aus und konnten alle noch einmal kurz ein Resümee des Tages ziehen. Dieses fiel durchweg positiv aus, selbst die Personen aus der Gruppe, die schon häufiger Gedenkstätten besucht haben, konnten wieder etwas dazu lernen. Vor der Rückfahrt nach Leipzig gingen wir noch gemeinsam essen und führten auch hierbei noch ein paar intensive Gespräche.

Sowohl den jungen Teilnehmenden als auch uns Mitarbeitenden vom Fanprojekt hat der Ausflug sehr gefallen, wir konnten viel neues Wissen mitnehmen und bereits Bekanntes vertiefen.

Vielen Dank an das Förderprogramm „Weltoffenes Sachsen“, über die wir diese Bildungsfahrt zu großen Teilen finanzieren konnten.

Pressemitteilung Zeugnisverweigerungsrecht

Die Fansozialarbeit schaut in den letzten Monaten immer wieder nach Karlsruhe, wo Kolleginnen und Kollegen, in einer beispiellosen Art und Weise von der Justitz unter Druck gesetzt werden. Um die Soziale Arbeit mit Fußballfans weiter zu professionallisieren ist es unabdingbar über die Etablierung eines Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern zu sprechen.

Deshalb teilen wir hier, die Pressemittelung des „Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit“, welcher wir uns vollumfänglich anschließen!

Staatsanwaltschaft Karlsruhe lässt Verfahren nicht ruhen: Strafvereitelung gegen Fanprojekt-Mitarbeiter*innen steht im Raum – Zeugnisverweigerungsrecht für die Soziale Arbeit nötiger denn je!

01.11.2023

Es dürfte ein trauriges Novum in der Bundesrepublik Deutschland sein: Im aktuellen Rechtsstreit zwischen der Staatsanwaltschaft Karlsruhe und dem dortigen Fanprojekt hat die Staatsanwaltschaft zwar nun doch keine Beugehaft gegen die Fanprojektler*innen beantragt, setzt die Kolleg*innen jedoch weiterhin unter Druck. Es wird geprüft, ob ein Verfahren wegen des Verdachts der Strafvereitelung eröffnet wird. Weil sie das besondere Vertrauensverhältnis zu ihrer Zielgruppe, wohl dem zentralen Grundpfeiler der Sozialen Arbeit, nicht auf das Spiel setzen können und wollen, sind hauptamtliche Mitarbeitende aus diesem Bereich weiterhin mit rechtlichen Konsequenzen bedroht. Und das nur, weil sie kein Zeugnisverweigerungsrecht besitzen.

„Es ist absurd, dass die Staatsanwaltschaft hier keine Ruhe geben will“, erklärt Matthias Stein, Sprecher des Bündnisses für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit (BfZ). „Nicht nur, weil Kolleg*innen persönlich betroffen sind. Sondern auch, weil hier offenkundig ein Exempel statuiert werden soll, dass die grundsätzlichen Errungenschaften der Sozialen Arbeit bundesweit massiv gefährden und zurückwerfen kann.“

Im Zuge ihrer Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Mitarbeitende des Fanprojekts als Zeug*innen vorgeladen. Diese standen somit vor einem unsagbaren Dilemma: Einblicke aus der Aufarbeitung, die ihnen unter dem Gesichtspunkt absoluter Vertraulichkeit im Rahmen ihrer Arbeit gewährt wurden, an Ermittlungsbehörden weiterzugeben, was vergleichbare Formate für die Zukunft wohl unmöglich gemacht hätte, oder zu schweigen. Als professionelle Mitarbeiter*innen der Sozialen Arbeit entschieden sie sich für Letzteres, um das Vertrauen, das ihnen ihre junge Zielgruppe entgegengebracht hatte, nicht zu gefährden. „Soziale Arbeit benötigt ein besonderes Vertrauensverhältnis, um ihren Auftrag erfüllen zu können“, unterstreicht Georg Grohmann, ebenfalls Sprecher des BfZ.

Ordnungsgelder waren zunächst die Folge, die Beugehaft stand sehr konkret im Raum. Hierauf verzichtete die Staatsanwaltschaft nun, prüft jedoch die Möglichkeit einer Anzeige wegen Strafvereitelung gegen die Mitarbeiter*innen: „Die Politik muss jetzt handeln! Der aktuelle Fall zeigt leider auf eine inzwischen dramatische Art und Weise, wie essenziell ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit ist. Das unterstreichen auch unsere verschiedenen Netzwerkpartner*innen und die Wissenschaft seit langem.“, so Georg Grohmann. „Wir Hauptamtlichen in der Sozialen Arbeit brauchen eine Möglichkeit, uns und die Professionalität unserer Arbeit zu schützen. Selbstverständlich fordern wir die Staatsanwaltschaft Karlsruhe auch auf, alles dafür zu tun, dass sich die Mitarbeitenden des Fanprojekts endlich wieder auf ihre Arbeit mit ihrer Zielgruppe konzentrieren können. Ein solcher Fall darf sich unter keinen Umständen wiederholen“, macht Matthias Stein abschließend deutlich.

Kontakt zu den Sprechern des BfZ:

Matthias Stein                                                                    Georg Grohmann
ms@fanprojekt-jena.de                                                   grohmann@bag-streetwork.de
0173-3970701                                                                    0157-71418265
www.zeugnis-verweigern.de

Sportbuzzer-Interview zum Lernort Stadion

Mit freundlicher Genehmigung durch Britt Schlehahn und LVZ-Sportbuzzer

Dresden, Rostock und Berlin haben vorgelegt. Künftig soll auch in Leipziger Fußballstadien gelernt werden, allerdings nicht in Sachen Ballbehandlung und Co. Das hiesige Fanprojekt betreut die Aktion „Lernort Stadion“. Wir haben uns mit Leiter Christian Kohn unterhalten.

Leipzig. Der Fußball abseits der ersten beiden Bundesligen ruht. Zuschauer müssen ohnehin draußen bleiben. Dass ein Stadionbesuch mehr sein kann, als 22 Spielern beim Kicken zuzuschauen, zeigt das Bildungsprojekt „Lernort Stadion“. Gefördert von der DFL-Stiftung und unter der Schirmherrschaft von Oliver Welke lautet das Motto „Wir bringen politische Bildung ins Fußballstadion“. Mit anderen Worten: ein Bewusstsein schaffen gegenüber demokratischen Prozessen und Diskriminierung. In Ostdeutschland gibt es bereits entsprechende Projekte in Dresden, Rostock und Berlin. In Leipzig laufen die Vorbereitungen. Was sich dahinter verbirgt, erklärt Christian Kohn, der Leiter des Leipziger Fanprojekts dem SPORTBUZZER.

Was bedeutet „Lernort Stadion“?

Christian Kohn: Ganz grundsätzlich beschreibt „Lernort Stadion“ erst einmal ein Angebot der außerschulischen, politischen Bildungsarbeit. Die Idee hinter diesem Angebot ist es, Bildung an einem ganz besonderen und nicht gerade alltäglichen Ort stattfinden zu lassen, nämlich im Fußballstadion. Es geht darum, Jugendlichen an einem Ort jenseits der Schule einen Rahmen dafür zu bieten, andere Perspektiven kennenzulernen, und zwar im doppelten Sinne: Zum einen, mal raus aus ihrem gewohnten Alltag zu kommen, zum anderen gerade durch die Faszination, die so ein Stadion und der Fußball generell ausüben eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und politischen Themen anzustoßen. Das ist das, was grob zusammengefasst das Label „Lernort Stadion“ bedeutet, was mittlerweile bundesweit an 20 Lernzentren läuft, von der DFL Stiftung gefördert wird und mit „Lernort Stadion e. V.“ auch einen eigenen Dachverband hat.

An wen richtet sich das Projekt?

In Leipzig wollen wir schwerpunktmäßig mit Schulklassen der Ober-, Förder- und Berufsschulen zusammenarbeiten. Dabei geht es uns vor allem um diejenigen Schülerinnen und Schüler, die eher negative Erfahrungen im Lernkontext gemacht haben oder sich von klassischen Konzepten der politischen Bildung nicht wirklich angesprochen fühlen. Die möchten wir gerne in Workshops mit unterschiedlichen gesellschaftlichen oder politischen Themen in Berührung bringen – und zwar so, dass sie Spaß daran haben, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Der Fußball kann dafür einen guten Zugang ermöglichen, auch wenn er gar nicht unbedingt eine zentrale Rolle spielt, sondern das jeweilige Thema und die Auseinandersetzung damit.

Welche Angebote wird es geben?

Zum Beispiel möchten wir gerne einen Workshop zu sozialen Medien veranstalten. Sie spielen ja in der Lebenswelt der Jugendlichen eine ziemlich wichtige Rolle, sind aber oftmals auch Kanäle für die Verbreitung von Gerüchten und Vorurteilen. Da lässt sich natürlich sehr gut an den Profifußball, mit all seiner schnelllebigen Medienpräsenz und seinen Transfergerüchten, anknüpfen, um mal zu schauen, wie ein verantwortungsvoller Umgang mit sozialen Medien eigentlich aussehen kann.

Oder der geplante Workshop, in dem die Schülerinnen und Schüler sich anhand der Leipziger Fußballgeschichte, in der ja gerade das ehemalige Zentralstadion eine wahnsinnig interessante Rolle spielt, mit der Entwicklung ihrer Stadt auseinandersetzen. Da wollen wir gerne gemeinsam mit den Jugendlichen kleine Geschichten rund um den Leipziger Fußball aufarbeiten, um so die verschiedenen Epochen und Gesellschaftssysteme, die ja auch Auswirkungen auf den Leipziger Fußball hatten, näher zu beleuchten. So ein ganz konkreter Zugang macht Geschichte natürlich ganz anders erfahr- und lernbar, als dies in der Schule der Fall ist.

Auf welchen Zeitraum ist das Projekt angelegt?

Bildungsarbeit muss natürlich immer langfristig angelegt sein, um tatsächlich nachhaltig zu sein. Deswegen wollen wir unser Lernzentrum gerne so aufstellen, dass sich unser Angebot auch langfristig etablieren kann. Aus diesem Grund befinden wir uns in kontinuierlichen Gesprächen mit verschiedenen Institutionen, Sponsoren und Fördermittelgebern, um dem Projekt möglichst stabile Rahmenbedingungen zu geben.

Was erhofft sich das Fanprojekt mit diesem Bildungsangebot?

Aus unserer Alltagsarbeit mit Fußballfans wissen wir, wie viel positives Potenzial in jungen Menschen schlummert, gerade dann, wenn man ihnen einen vielleicht etwas unkonventionellen Rahmen bietet, in dem sie kreativ sein und sich ausprobieren können. Mit unserem Angebot erhoffen wir uns, Jugendliche, auch diejenigen, die sich vielleicht gar nicht so sehr für Fußball interessieren, darin zu bestärken, sich mit gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen, über die sie sich vielleicht noch gar keine großen Gedanken gemacht haben, obwohl sie eine große Rolle in ihrer Lebenswelt und gesellschaftlich spielen. Sie sollen in den Workshops erleben, dass ihre Meinung gefragt ist und dass es sich lohnt, sich gemeinsam mit anderen Gedanken über die Welt und ihre Rolle in dieser Welt zu machen.

Wie sah und sieht die Unterstützung der Leipziger Vereine für das Bildungsprojekt aus?

Zunächst muss man sagen, dass die Finanzierung durch die DFL Stiftung nur für Standorte und Stadien der ersten und zweiten Liga greift. Das heißt, dass die Workshops im Rahmen des Leipziger Lernorts in der Red Bull Arena stattfinden werden.

Dementsprechend sind wir von Anfang an in engem Austausch mit RB Leipzig, vor allem was die Nutzung diverser Stadionareale und Räumlichkeiten für die Workshops angeht. Aber klar, wir als Fanprojekt sind verantwortlich für den Inhalt und die Umsetzung des Lernortes. Und da wir ja die besondere Konstellation haben, als Fanprojekt für alle drei großen Leipziger Vereine (RB, BSG Chemie und Lok Leipzig) zuständig zu sein, ist es uns wichtig diesen Umstand auch im Lernzentrum abzubilden. Deswegen haben wir auch mit Lok und Chemie gesprochen, die uns ebenfalls Unterstützung in Aussicht gestellt haben, etwa im Rahmen des bereits angesprochenen Workshops zur Leipziger Fußballgeschichte, wo wir auf die jeweiligen Vereinsarchive oder die Vermittlung von „Zeitzeugen“ angewiesen sind.

Wie beeinflusst die Corona-Pandemie das Projekt?

Auch auf unser Projekt hat die Pandemie natürlich Auswirkungen. Zunächst mal ganz konkrete: Wir wollten eigentlich gerne im neuen Schuljahr mit dem Projekt starten, die weitere konzeptionelle Arbeit sollte ab Mai weiter angeschoben werden. Im März haben wir deswegen eine Stelle ausgeschrieben – die Bewerbungsgespräche mussten wir jetzt verschieben und der tatsächliche Projektstart verzögert sich natürlich auch.

Andererseits wird gerade viel darüber gesprochen, dass unsere Gesellschaft nach der Pandemie nicht mehr die gleiche sein wird, viele Selbstverständlichkeiten werden ziemlich durcheinander gewirbelt. Das hat natürlich Auswirkungen auf den Lebensalltag junger Menschen. Vielleicht kann so ein Lernort, wie wir ihn planen, seinen Teil dazu beitragen, hierzu eine Auseinandersetzung anzustoßen.

Sportbuzzer-Interview mit Sebastian Kirschner

Mit freundlicher Genehmigung durch Britt Schlehahn und LVZ-Sportbuzzer

Sebastian Kirschner ist beim Fanprojekt Leipzig seit 2013 für die BSG Chemie zuständig. Im Gespräch mit dem SPORTBUZZER erzählt er über seine Aufgaben im Ligaalltag, die manchmal schwierige „Übersetzerfunktion“, seine Arbeit in Zeiten der Corona-Pandemie und das „Raumschiff Fußball“.

Was macht das Fanprojekt Leipzig eigentlich?

Sebastian Kirschner: Fanprojekte sind nicht, wie viele immer denken, bei den Vereinen angesiedelt sondern unabhängige, mit öffentlichen Mitteln finanzierte Institutionen der Jugendhilfe. Im ganzen Land gibt es mehr als sechzig, in Leipzig „kümmert“ sich das Fanprojekt, das unter der Trägerschaft von Outlaw (Outlaw gemeinnützige Gesellschaft für Kinder- und Jugendhilfe mbH, d. Red.) steht auf ganz unterschiedliche Art und Weise, um die Fanpotentiale der drei großen Vereine RB, Chemie und Lok.

Jeder Verein hat sozialpädagogische Mitarbeiter, die nur für die jeweilige Klientel da sind. Unsere Zielgruppe sind daher vor allem Kinder und Jugendliche. Und um es noch präziser zu machen, in erster Linie junge Leute, die sich der Jugend- und Subkultur der „Ultras“ zuzählen. Ultras kommen ursprünglich aus Italien und sind derzeit eine der größten und vitalsten Jugendkulturen der Welt.

Seit 2013 bin ich für die Chemiefans also „da“ und habe den Weg des Vereins und seine Anhängerschaft von der Bezirksliga bis in die 4. Liga miterlebt. Unser Arbeitsalltag ist extrem vielfältig und dreht sich vor allem darum, jungen Fans, trotz aller Schwierig und -widrigkeiten eine positive Lebensorientierung mitzugeben. Natürlich thematisieren wir auch problematische Entwicklungen in der Fankultur, viel wichtiger und entscheidender sind aber die Momente von Selbst- und Mitbestimmung, gesellschaftlicher Verantwortung und kreativer Mitgestaltung: alles Dinge, die das Verhältnis von Sozialer Arbeit und Fußballfans ganz zentral ausmachen.

Ein gegenseitiges belastbares Vertrauensverhältnis, die Freiwilligkeit der Interaktion und eine gewisse Intensität der „Zusammenarbeit“ sind dabei ebenso wichtig, wie ein Verständnis von „Jugend“ auf der Höhe der Zeit. Die Schwierigkeiten, die der Lebensabschnitt Jugend mit sich bringt, bearbeiten wir in Einzelfallhilfen und Beratungsangeboten. Tiefgreifende aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen spiegeln sich natürlich auch in der Fankultur wieder – oftmals sogar viel deutlicher: Fanprojekte unterstützen hier das eh schon große Potential an politischem „Teilhabenwollen“, sie forcieren historische Bildungsarbeit oder flankieren Entwicklungen, die zu Geschlechter- oder Chancengleichheit führen sollen.

Was war bisher Ihr schönstes und schlimmstes Erlebnis bei der BSG?

Schönste Momente sind meistens fußball-immanente Überraschungen: Siege, die man nicht erwartet hätte, besondere Tore, die Glücksgefühle auslösen und natürlich hochemotionale Aufstiege und Pokalspiele. Als Sozialarbeiter ist man da ganz schön nah an der Gefühlswelt der Fans dran. Und trotz professionellem Verhältnis überkommt einen dann doch mal der irrationale Fußballwahnsinn. Ein Gefühl, das ich vorher so nicht kannte. Schlimm ist eigentlich nichts. Man lernt, sich – zumindest in manchen Situationen – ein dickes Fell zuzulegen. Das braucht man auch und ist Bestandteil des Alltags.

Wie ist das Verhältnis zum Verein?

Sehr gut. Das basisdemokratische Verständnis in den Vereinsstrukturen – der Verein wurde ja von seinen Fans mit jeder Menge Herzblut wieder gegründet – spiegelt sich natürlich auch in der Zusammenarbeit wieder. Viele kurze Wege mit dem Fan- und Sicherheitsbeauftragten der BSG, intensive Kommunikation, ein großes Verständnis und eine fundierte Kenntnis über das „Denken und Fühlen“ von Fans: all das kennzeichnet unser Arbeitsverhältnis. Und selbst wenn es mal zu divergierenden Positionen kommt – was recht selten der Fall ist – sind wir in der Lage, diese produktiv und mit Anerkenntnis für die jeweils andere Meinung zu lösen.

Welche Rolle spielt der Fanbeauftragte im normalen Ligaalltag?

Eine vielfältige, würde ich sagen. In erster Linie geht es dabei um präventive Kommunikation. Es gibt an jedem Spieltag viele „Player“ mit teilweise unterschiedlichen, manchmal auch entgegenstehenden Interessen. Natürlich stehen die Fans an erster Stelle, wobei mein vorrangiger Arbeitsauftrag „jungen Fans“, vor allem Ultras und Ultra‘-nahen Gruppen gilt. Dann gibt es den Heim- und Gastverein, die Fan- und Sicherheitsbeauftragten. Also die, die sich innerhalb der Vereinsstrukturen bewegen. Es gibt die Fußballverbände und deren Mitarbeiter, die oftmals ein ganz eigenes Verständnis von der Bewältigung von Fußballspielen haben.

Und es gibt die ordnungs- und sicherheitspolitische Seite: kommunale Ämter, Rettungsdienste, Security und natürliche die verschiedenen polizeilichen Organisationsteile – Bundes- und Landespolizei, das Revier um die Ecke, die szenekundigen Beamten. Deren Blick auf den Fußball unterscheidet sich dahingehend von unserem, dass er natürlich ein ausschließlich sicherheitspolitischer ist. In Sicherheitsbesprechungen, die in der Regel vor jedem Spiel stattfinden, aber auch in vielen bilateralen Gesprächen versuchen Fanprojekte die Perspektive von organisierten Fans zu verdeutlichen. Oftmals üben wir dabei eine Art „Übersetzerfunktion“ aus, wir sind quasi der institutionalisierte Dialog und sensibilisieren die „Erwachseneninstitutionen“ für jugendliches Fan-Sein und deren Bedürfnisse. Das ist meistens herausfordernd, manchmal auch anstrengend, weil die unterschiedlichen „Denksysteme“ oftmals nicht kongruent sind.

Wie hat die Pandemie die Arbeit verändert? Wie sieht der gegenwärtige Arbeitsalltag aus?

Natürlich hat Covid-19 wie alle gesellschaftlichen Bereiche auch den Fußball durcheinander gewirbelt. Soziale Arbeit mit Fußballfans in Zeiten, in denen vermutlich langfristig kein Fußball gespielt, oder zumindest live gesehen wird, das klingt absurd. Zumal der direkte Draht zu den Fans, das vertraute Gespräch oder die intensive Diskussion rund um die Spieltage eben nicht stattfinden können. Auch Fußball-immanente Konflikte sind gerade kaum vorhanden. Und klassisches Streetwork funktioniert im Homeoffice auch nur bedingt: Digitalisierungshype hin oder her. Auch unsere Räumlichkeiten können wir nicht nutzen, physische Distanzierung macht soziale Interaktion insgesamt schwer, auch zwischen den Fans untereinander.

Wir versuchen daher das Beste draus zu machen und bleiben eigentlich bei unseren Kernthemen: Kommunikation ist zentral und wird mit Abstand oder eben digital geführt. Den erhöhten Beratungsbedarf z.B. zur individuellen Existenzsicherung merken wir natürlich. Und selbstverständlich tauschen wir uns zur „Lage der Welt“ aus, teilen die Sorgen und fragen uns gemeinsam, wie und wann so etwas wie „Normalität“ wieder stattfinden kann. In den Fanszenen existiert ein sehr feines Gespür, wenn es um die Einschränkung von bürgerlichen Freiheiten und Grundrechten geht. Umso interessanter und emanzipierter ist zum Beispiel der Forderung der Ultras von Chemie zu bewerten, angesichts der Pandemie und der damit verbundenen sozialen Verantwortung den Spielbetrieb auszusetzen – und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Verbände sich noch fest an den Spielbetrieb klammerten.

Aktuell organisiert ein großes und stadtübergreifendes Netzwerk rund um die chemische Fanhilfe Unterstützungsangebote wie Einkauf, Kinderbetreuung und Alltagshilfe für Menschen mit Bedarf. Das ist beeindruckend und freut uns natürlich. Wir brauchen da Dank der guten Selbstorganisation gar nicht viel machen und vermitteln maximal den Kontakt zum Gesundheitsamt oder zu professionellen Selbsthilfeorganisationen.

Welche Wünsche gibt es für die Zukunft?

Definitiv spielt Fußball gerade eine untergeordnete Rolle, und das ist auch gut so. Meine beruflichen Wünsche daher in Worte zu fassen fällt mir angesichts der aktuellen Unübersichtlichkeit schwer. Irgendwann wäre eine Rückkehr zum Fußball mit Zuschauern natürlich schön und wichtig fürs Gemüt. Fankultur wird nach Corona sicher nicht mehr so sein wie zuvor. Im Moment zählt aber definitiv etwas anderes. Spannend empfinde ich die Debatte, die sich aktuell um das „Raumschiff Fußball“ in Zeiten der Pandemie dreht – Stichwort eigene Privilegien, ökonomische Selbstreflektion oder gesellschaftliche Solidarität. Hier haben beispielweise die meisten Ultras gegenüber dem Gros an Fußball-Funktionsträgern einen moralischen Vorsprung, der sich kaum bemessen lässt. Interessant, wer sich am Ende durchsetzt.

Fanprojekt eingeschränkt erreichbar!

Aufgrund der aktuellen Situation rund um Corona haben wir uns entschieden, alle Angebote bis auf weiteres einzustellen. Auch unsere Geschäftsstelle in der Käthe-Kollwitz-Straße wird nur sporadisch besetzt sein.

Wir sind natürlich weiterhin per Email und über Handy jederzeit erreichbar. Die Adressen und Nummern sind unter dem Menüpunkt „Team“ zu finden. Auch für eventuelle Einzelfallberatungen werden wir eine Lösung finden.

Bleibt alle solidarisch, gesund und besonnen!

Infos zum Infektionsschutz unter https://www.infektionsschutz.de/coronavirus-sars-cov-2.html