Im Rahmen eines Pressegesprächs stellte Steffen Kröner, Regionalgeschäftsführer der Outlaw gGmbH in Halle/Leipzig, gemeinsam mit Michael Gabriel, Leiter der Koordinierungsstelle Fanprojekte (KOS) unter dem Titel „Spannungsfeld Fanarbeit“ die besonderen Herausforderungen des Arbeitsfeldes Fan-Sozialarbeit vor. Anlass war die mittlerweile eingestellte Ermittlung der Generalstaatsanwaltschaft Dresden gegen einen Mitarbeiter des Leipziger Fanprojekts. Denn das Leipziger Fanprojekt als auch die bundesweit 58 Fußball-Fanprojekte mit insgesamt 65 Fanszenen stellen sich die Frage, ob solche Ermittlungen einen unmittelbaren Einfluss auf die Zusammenarbeit mit den jugendlichen Fans haben können.
Was passiert, wenn das Arbeitsfeld der Fanprojekte selbst zum Gegenstand solcher Ermittlungen wird und welche Konsequenzen hat das auf die Zusammenarbeit mit allen Netzwerkpartner*innen? Dazu bezogen Steffen Kröner und Michael Gabriel als auch Dr. Friedhelm Höfener, Geschäftsführer der Outlaw gGmbH, Stellung:
Steffen Kröner (Regionaler Geschäftsführer Outlaw gGmbH / Halle/Leipzig)
„Uns alle vereint der Ansatz, gemeinsam mit den Fans eine friedliche Fankultur zu fördern und Gewalt zu bekämpfen. Dabei gilt es die verschiedenen Rollen und Aufträge im Netzwerk zu beachten und zu respektieren. Fanarbeit ist Vertrauensarbeit. Wir können nicht akzeptieren, wenn die Kernaufgaben von Fan-Sozialarbeit selbst oder Mitarbeiter*innen von Fanprojekten unter Generalverdacht gestellt werden.“
Michael Gabriel (Leiter der Koordinierungsstelle Fanprojekte – KOS)
„Justiz und Polizei sind wichtige Partner*innen im Netzwerk der Fanarbeit. Sie müssen die konzeptionelle Herangehensweise von Fanprojekten, wie sie im Nationalen Konzept Sport und Sicherheit niedergeschrieben sind, kennen und respektieren. Wenn Mitarbeiter*innen von Fanprojekten ins polizeiliche Visier geraten, allein weil sie ihre Arbeit ausüben, gerät die Arbeit insgesamt in Gefahr.“
Auch Outlaw-Geschäftsführer Dr. Friedhelm Höfener betonte dazu:
„Fan-Sozialarbeit benötigt Vertrauen und Kommunikation. Dies gilt sowohl mit Blick auf die Fans aber in einem besonderen Maß auch für die Zusammenarbeit mit den Netzwerkpartner*innen. Ich hoffe sehr, dass wir in Leipzig in einem guten Dialog die Arbeit weiterentwickeln. Fansozialarbeit kann als Jugendsozialarbeit verstanden werden und es sollten grundsätzlich die Möglichkeiten eines Zeugnisverweigerungsrechts für Mitarbeiter*innen geprüft werden.“
Informationen zu den Organisationen
Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS)
Die KOS wurde 1993 eingerichtet, um die sozialpädagogisch arbeitenden Fanprojekte inhaltlich zu begleiten, zu koordinieren und bei der Einrichtung weiterer Projekte mitzuwirken. Grundlage der Arbeit ist das Nationale Konzept Sport und Sicherheit (NKSS), das den inhaltlichen und organisatorischen Rahmen der Jugendsozialarbeit im Fußballbereich absteckt. Derzeit werden an 58 Standorten in Deutschland 65 Fanszenen betreut.
Neben der Beratung und Begleitung der Fanprojekte in Deutschland steht die KOS den Fußball-Institutionen, der Politik, der Polizei und den Medien in Sachen professioneller pädagogischer Fanarbeit als beratende und informierende Instanz zur Verfügung. Die KOS wird je zur Hälfte vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) finanziert. Sie ist bei der Deutschen Sportjugend (dsj) in Frankfurt am Main angesiedelt und mit fünf Referent*innen und einer Verwaltungsfachkraft besetzt.
Sozialpädagogisch orientierte Fanarbeit basiert auf der Erkenntnis, dass gewalttätigem Verhalten jugendlicher Fußballfans nicht allein mit repressiven Maßnahmen begegnet werden kann. Die Arbeit der Fanprojekte orientiert sich an der Lebenswelt der Fans, sprich: Sie findet u. a. im Stadion, auf Auswärtsfahrten, in Fantreffs und bei Fanturnieren statt. Um Gewaltbereitschaft und extremistische Einstellungen abzubauen, stärken die Fanprojekte die kreative Fankultur und bieten alternative Freizeit- und Bildungsangebote für jugendliche Fans an. Gerade dafür ist die Vernetzung der Fanprojekte mit pädagogischen Einrichtungen und anderen Akteuren außerhalb des Fußballs von großer Bedeutung.
Das Outlaw-Fanprojekt
Das Fußball-Fanprojekt Leipzig, in Trägerschaft der Outlaw gGmbH, ist seit November 2011 im Rahmen sozialpädagogischer Jugendarbeit tätig. Die Sozialarbeiter*innen bzw. Sozialpädagog*innen arbeiten mit den Fans von Lokomotive Leipzig, BSG Chemie Leipzig, RB Leipzig und projektbezogen mit den Fans von Roter Stern Leipzig. Das Fanprojekt wird finanziert durch den Deutschen Fußballbund, die Stadt Leipzig und im Rahmen der Förderrichtlinie Fanprojekte durch das Sächsische Staatsministerium des Innern über den Landespräventionsrat im Freistaat Sachsen.
Für jeden der Vereine gibt es einen Sozialarbeiter/-pädagogen, der ausschließlich mit den Fans der genannten Vereine arbeitet, die Bezugsperson wechselt also nicht. Das Projekt arbeitet wie alle Fanprojekte bundesweit sowohl aufsuchend (Streetwork) als auch in Formen offener Jugendarbeit.Es gibt drei Objekte als Fananlaufstellen, die für Freizeitgestaltung, inhaltliche Projekte, das Malen und Erstellen von kleineren Choreografien und das Zusammensein genutzt werden.
Die Mitarbeiter*innen des Fanprojektes stehen an den Spieltagen sowohl den Fans als auch der Polizei und den Ordnungsdiensten als Ansprechpersonen zur Verfügung. Ziel ist, zwischen den Beteiligten zu vermitteln und deeskalierend zu wirken. Dazu bedarf es eines verlässlichen Netzwerks mit allen beteiligten Institutionen.
Die Fans werden in der „Ausübung ihres Fan-Seins“ durch Angebote und das Schaffen von geeigneten Rahmenbedingungen sozialpädagogisch gefördert. Die Vereine werden in allen die Fans betreffenden Fragen beraten und unterstützt. Die Mitarbeiter*innen des Fanprojektes sind in Stadionverbotskommissionen und Beiräten tätig und arbeiten mit der Polizei im Rahmen von Aus-, Fort- und Weiterbildungen zusammen. „Die Zusammenarbeit von Fußballfanprojekt und Polizei ist wirklich sehr gut,“ unterstreicht Polizeipräsident Bernd Merbitz. „Wir alle wollen, dass die Fans sich friedlich verhalten. Die Sozialarbeit spielt für die Gewaltprävention eine wichtige Rolle.“