Jüdinnen und Juden im Leipziger Westen – ein besonderer Stadtteilrundgang auf den Spuren ehemaliger Bewohnerinnen und Bewohner

Ende Mai trafen sich Fans der BSG Chemie, um zusammen mit der Kulturwissenschaftlerin Britt Schlehahn die Spuren jüdischen Lebens im Leipziger Westen zu erkunden.

Leipzig verfügte in den 20er Jahren über die sechst-größte Gemeinde Deutschlands mit vielen tausend Gemeindemitgliedern. Persönlichkeiten jüdischen Glaubens prägten Wissenschaft, Kultur und Handel. Auf diese Blütezeit folgte der tiefe und zerstörerische Zivilisationsbruch in der Zeit des Nationalsozialismus mit der fast vollständigen Vernichtung der Gemeinde in der Shoah. Die Stadtteile Leutzsch, Lindenau und Plagwitz gehörten zwar nicht zu den Zentren jüdischen Lebens, trotzdem kann man bis heute viele Geschichten um Orte und Personen nachvollziehen. Ob es die jüdischen Kaufhäuser am Lindenauer Markt, der Karl-Heine-Straße oder das berühmte Kaufhaus Held in der Merseburger Straße sind, oder der Erinnerungsort an die ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohner in der Josephstraße 7. Oder die Stolpersteine auf der Georg-Schwarz-Straße, der Endersstraße oder der Demmeringstraße, die an die jüdischen Bürgerinnen und Bürger erinnern sollen. Mit etwas Mühe kann einstiges jüdischen Leben wieder sichtbarer und erkennbarer gemacht werden.

Über zwei Stunden führte Britt Schlehahn kenntnisreich von einer Ecke zur nächsten, erzählte viel Wissenswertes über Personen, Häuser und Orte und problematisierte auch immer wieder das Nicht-Beschäftigen mit den einstigen Täterinnen und Tätern: Menschen die profitierten, die mitmachten, die enteigneten oder die denunzierten.

Der Stadtteilspaziergang ist Teil einer Veranstaltungsreihe, die von der Amadeu-Antonio-Stiftung und der DFB Kulturstiftung gefördert wird und die noch bis Jahresende geht.

Zur momentan schwierigen finanziellen Situation des Leipziger Fanprojekts

Die durch die Presse gehenden Meldungen von drohenden oder schon vollzogenen Einsparungen im sozialen Bereich, die gerade viele zivilgesellschaftliche Initiativen und Träger der Sozialen Arbeit in Sachsen, aber auch bundesweit drastisch zu spüren bekommen, betreffen auch das Leipziger Fanprojekt. Wir bitten deswegen um Unterstützung.

Wie vielleicht bekannt sein dürfte, haben wir hier an unserem Standort eine bundesweit einmalige Situation: mit den Fanszenen von Chemie Leipzig, RB Leipzig und Lok Leipzig begleitet das Leipziger Fanprojekt gleich drei Bezugsfanszenen sozialpädagogisch – eine nicht immer ganz einfache Konstellation, in der wir es aber seit 2011 geschafft haben, intensive und belastbare Beziehungsebenen zu den Fanszenen und auch den Bezugsvereinen aufzubauen. Und auch im Netzwerk haben wir uns mittlerweile ein sehr gutes Standing erarbeitet.

Als vor 1 ½ Jahren sehr deutlich wurde, dass unsere Struktur verändert und die Finanzierung entsprechend angepasst werden muss, um weiterhin gut arbeiten und wirksam sein zu können, haben wir viele Gespräche mit unseren Finanzierungsgebern geführt, um DFB, DFL, Kommune und Land zu überzeugen, mehr Geld zur Verfügung zu stellen – und damit z. B. notwendige Stellenaufstockungen vollziehen zu können. Wir haben hierfür mit sehr viel Rücksicht auf die sich bereits anbahnenden schwierigen Haushaltslagen ein Konzept erstellt, das maßvolle Stellenaufwüchse und entsprechend verträgliche Etaterhöhungen vorsah. Wir haben in mehreren Treffen die Notwendigkeit der Stellenaufstockungen und Anhebung unserer Sachkostenfinanzierung dargelegt, aber auch die Konsequenzen, die unserer Einschätzung nach eintreten würden, sollte sich nichts an unserer Lage ändern. Leider ist seitdem nichts passiert, was zu einer substanziellen Verbesserung unserer Situation beigetragen hätte. Weder der Fußball noch die öffentlichen Hände haben Verantwortung übernommen, keiner ist den ersten konkreten Schritt nach vorne gegangen, mehr Geld zu geben.

Wir haben in den letzten Jahren immer das Beste aus unserer schwierigen Haushaltslage gemacht und versucht, durch mehr oder weniger clevere Drittmittelakquise und politische Lobbyarbeit unseren Etat anzuheben. Das ist uns auch im Verbund mit öffentlichen Händen und dem Fußball im Rahmen der letzten beiden Doppelhaushalte gelungen – deswegen wollten wir unbedingt nun den nächsten notwendigen Schritt zur weiteren Verbesserung unserer Fanprojekt-Struktur in die Wege leiten.

An Stellenaufstockungen und einen höheren Etat ist momentan allerdings nicht mehr zu denken, denn nach den ersten Haushaltsentscheidungen unserer Fördermittelgeber haben wir eine völlig andere Ausgangslage: nachdem die Stadt Leipzig unseren für 2025/2026 beantragten Mehrbedarf nicht anerkannt hat, bleibt unsere Fördersumme auf dem Stand vom letzten Jahr stehen. Und der Landeshaushalt ist zwar noch nicht beschlossen, im Regierungsentwurf sind aber für 2026 sogar Kürzungen der sächsischen Fanprojekt-Förderung angedacht. Wie sich der Fußball, also DFB und DFL, angesichts dieser schwierigen Perspektiven verhalten wird, ist unklar. Fakt ist: Unsere Finanzierung hält nicht mehr mit der aktuellen Tarif- und Kostenentwicklung Schritt und so droht uns aktuell ein Defizit von mehreren 10.000 Euro. Damit ist unser momentaner Status Quo gefährdet.

Wir führen weiterhin viele Gespräche mit der Politik, dem Fußball, den öffentlichen Händen und unserem Träger. Die fachlichen Argumente liegen auf unserer Seite. Aber wir brauchen Unterstützung und Solidarität. Deswegen wurde eine Spendenseite aufgelegt, die ihr unter folgendem Link abrufen könnt: https://projekte.outlaw-ggmbh.de/project/spende-fuer-fanprojekt-leipzig-kopieren

Wir würden euch gerne bitten, sowohl auf die Spendenkampagne, als auch auf unsere momentane Situation hinzuweisen, soweit es euch möglich ist. Vielen Dank!

Erfolgreiche Veranstaltung beim Deutschen Jugendhilfetag

Am 14.05.2025 fand im Rahmen des 18. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetages auch unsere Fachveranstaltung zu jugendlich geprägter Fankultur als Arbeitsfeld der Jugendhilfe statt.

Über 100 Interessierte – mehr, als Plätze vorhanden waren – kamen, um unserem Impulsvortrag und der von Steffen Kröner moderierten Podiumsdiskussion zu lauschen, an der Janina Bittner (Abteilungsleiterin Jugendhilfe der Stadt Leipzig und stellvertretende Jugendamtsleiterin), Dr.in Heidi Giuliano-Thaler (Koordinationsstelle Fanprojekte), Christian Shukow (Referent für Jugendsozialarbeit beim AWO-Bundesverband) und Dr. Christian Kohn (Leiter des Leipziger Fanprojekts) teilnahmen.

Angesichts der hohen Kontaktzahlen, der großen Akzeptanz in den Fanszenen und den vielen fachlichen Impulsen, die immer wieder von der Fansozialarbeit für die Jugendhilfe ausgehen, waren sich Podium und Publikum einig darin, dass die Fanprojekte stabile Rahmenbedingungen brauchen, um weiterhin gut arbeiten zu können – und dies nicht nur eine auskömmliche Finanzierung mit einschliessen muss, sondern auch ein Zeugnisverweigerungsrecht.

Wir danken allen Gäste und Mitdiskutierenden sowie der Deutschen Fußball-Liga (DFL), die an der Organisation beteiligt war, für eine gelungene Veranstaltung, deren große positive Resonanz auch uns ziemlich überrascht hat.

»Eine Frage der Haltung« Auftakt-Veranstaltung zu Projekt über Antisemitismus im Fußball

Seit dem 7. Oktober und dem Überfall der Hamas auf den Süden Israels ist Antisemitismus nicht nur auf den Straßen und in den Sozialen Medien ein großes Thema. Auch in den europäischen Fußballstadien ist der Judenhass sowohl subtil als auch offen wieder präsent: in Gesängen, auf Spruchbändern oder in Choreographien. Das Fanprojekt hat deshalb zusammen mit den »Chemiefans gegen Antisemitismus« eine Veranstaltungs- und Workshopreihe ins Leben gerufen, um aktuelle Formen des jahrhundertealten Ressentiments zu diskutieren und zu problematisieren.

Den Auftakt machte Ende April ein Podiumsgespräch im Soziokulturellen Zentrum Conne Island. Unter dem etwas sperrigen Titel »Leutzscher Juden. Zur Idee der Aneignung jüdischer Identitäten im Kampf gegen Antisemitismus in Fußball« diskutierten wir vor 150 interessierten Gästen mit Monty Ott und Ruben Gerczikow über die Genese antisemitischer Vorurteile und die Möglichkeiten, diesen im Fußballkontext etwas entgegenzusetzen. Denn nicht nur bei Tottenham oder Ajax Amsterdam, auch in Leipzig-Leutzsch sieht man ab und an Davidsterne auf Stickern oder ein Spruchband mit einem Zitat der jüdischen Philosophin Hannah Arendt. Ist »Jüdischsein« im Stadion also eine Art Performance? Was unterscheidet die »Yids« von den »Superjoden«? Und was sagen eigentlich Jüdinnen und Juden zu den Aneignungsmodellen in der Fankultur? Das waren nur einige Fragen, die im Rahmen einer lebhaften Diskussion im Conne Island angeregt besprochen wurden.

Die Veranstaltungsreihe, die von der Amadeu-Antonio-Stiftung und der DFB Kulturstiftung gefördert wird, findet in den nächsten Wochen ihre Fortsetzung und geht noch bis Jahresende.

Fußball und Geschichte – Ein Wochenende in Bayern

Dieses Wochenende stand eine Spundefahrt an, bei der sich das Fanprojekt zusammen mit 15 Jugendlichen auf den Weg machten, um die bayerischen Gefilde zu erkunden. Die Mission? Fußball, Geschichte und Kultur.

Freitagmittag war es dann soweit: Zeugnisse abgeholt, schnell in der Jahni noch was verdrückt, und ab zum FP, wo nach und nach alle Jungspunde eingesammelt wurden. Die Taschen waren gepackt, das Proviant überprüft und schon rollte unser Konvoi in Richtung Augsburg. Kaum auf der Autobahn, wurden die ersten Geschichten des Tages geteilt und sich für den bevorstehenden Support eingestimmt. An der ersten Raststätte trafen wir dann auf die anderen Fanszenemitstreite:innen. Die einen überpünktlich, die anderen – wie gewohnt – nach dem Motto „komm ich heut nicht, komm ich morgen“.  Weiter ging es in Kolonne zur WWK Arena. Der Einlass? Tiefenentspannt. Für den einen oder anderen aber dennoch ein willkommener Moment, um ein paar mitgebrachte Sticker als Andenken im Stadion zu verteilen. Pünktlich zum Anpfiff waren alle da und die 450+ Auswärtsfahrer:innen gaben stimmungstechnisch alles. Mitmachquote nahe an den 100%! Das Spiel? Naja… Mal wieder ein Unentschieden, mal wieder ein müder Kick – aber egal.

Nach Abpfiff wurde schnell zu den Neunern gehetzt, um sich Richtung München aufzumachen. Dort angekommen, fix ins Hostel eingecheckt, kurz die Zimmer inspiziert, und dann ab ins Bett – für manche früher und für manche… naja, später.

Der Samstag begann mit einem schnellen Frühstück, bevor es zur Gedenkstätte Dachau ging. Dort erwartete uns eine interessante und intensive Führung, die sich besonders mit Fußball im Konzentrationslager Dachau beschäftigte. Das KZ Dachau war das erste Konzentrationslager, das 1933 von den Nationalsozialisten errichtet wurde. Ursprünglich für politische Gegner:innen gedacht, wurde es schnell zu einem Ort des Schreckens für Hunderttausende von Menschen. Mehr als 200.000 Häftlinge wurden hier von 1933 bis 1945 inhaftiert, darunter politische Gefangene, Juden, Sinti*zze und Rom*nja, Homosexuelle, Zeugen Jehovas und viele andere, die nicht in das Weltbild der Nationalsozialisten passten. Besonders eindrucksvoll war die Geschichte des Fußballs im KZ. Fußball wurde von den Nationalsozialisten als Mittel der Propaganda genutzt, um den Anschein zu erwecken, dass die Häftlinge ein „normales Leben“ führten. Doch in Wirklichkeit diente das Spielen oft nur der Belustigung der SS-Wachen. Gleichzeitig bot es manchen Häftlingen aber auch eine kurze Ablenkung von den grausamen Bedingungen. Die Führung war bedrückend und wichtig, gerade in Zeiten wie diesen, um zu verstehen: Den Feinden der Demokratie darf man keinen Raum geben!

Nach diesem intensiven Vormittag ging es am Nachmittag in die Stadt, wo wir etwas Freizeit hatten, bevor bei einem gemeinsamen Abendessen die Eindrücke aus der Gedenkstätte nochmal diskutiert und reflektiert werden konnten. Irgendwann teilte sich die Gruppe: Einige nahmen das Fußtaxi zurück ins Hostel, andere entschieden sich für eine Riga, die eine äußerst interessante und abenteuerliche Route durch die Münchener Nacht nahm. Am Sonntagmorgen saßen wir alle mehr oder weniger ausgeschlafen beim Frühstück und quatschten über den vergangenen Tag. Schnell die Sachen gepackt und ab zum Olympiastadion – eigentlich war eine Führung geplant, die aber leider ausfiel. Trotzdem konnten wir einen Blick in die gigantische Schüssel werfen. Das Olympiastadion München wurde für die Olympischen Spiele 1972 erbaut und war eines der modernsten Stadien seiner Zeit. Besonders beeindruckend ist das berühmte Zeltdach, das sich wie eine riesige Spinnennetz-Konstruktion über das Stadion spannt. Bis 2005 war es die Heimstätte des FC Bayern München und des TSV 1860 München, bevor beide in die Allianz Arena umzogen. Das Stadion fasst über 69.000 Zuschauer und hat einige legendäre Spiele erlebt – darunter das WM-Finale 1974, bei dem Deutschland die Niederlande mit 2:1 besiegte.

Für uns war klar: Hier mal mit ein Pflichtspiel mit unserem Verein zu erleben – das wäre was!

Nach diesem Abstecher ging’s weiter ins Augustiner Mittagessen, bevor wir die Heimreise antraten. Eigentlich sollte der Rückweg problemlos verlaufen – aber kurz vor Nürnberg leuchtete plötzlich die Motorkontrollleuchte im FP-Neuner auf. Plötzlich Spannung in der Gruppe: Schaffen wir es bis Leipzig oder stranden wir irgendwo in Franken? Doch zum Glück lief alles gut, und alle kamen wieder wohlbehalten in Leipzig an.

Was bleibt, sind Erinnerungen, die keiner so schnell vergessen wird.

Das Fanprojekt

bedankt sich bei der Stiftung für Toleranz und Völkerverständigung für die finanzielle Unterstützung der Ausfahrt und den spannenden Bericht eines jugendlichen Teilnehmers!

 

 

 

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